Alltag im Prager Judenviertel

Zur rechtlichen Situation der Prager Juden

Die rechtliche Situation der Prager Juden im Ghetto war zumeist prekär. Von der christlichen Umwelt  ausgegrenzt, wurden sie vor allem in Krisenzeiten immer wieder zum Gegenstand von Verdächtigungen. Pogrome waren die Folge. Spätestens seit dem Laterankonzil von 1215 kam es zu einer weitreichenden Abgrenzung der jüdischen Bevölkerung von den Christen. Ein sichtbarer Ausdruck dafür war die Verfügung Ferdinand I., nach der alle Juden in Böhmen einen gelben Ring aus Tuch an ihre Kleider zu nähen hatten. Auch der Beitritt zu den Zünften blieb ihnen verwehrt.

Die Prager Juden lebten im Verhältnis im Vergleich zur christlichen Umwelt in einem rechtlichen Vakuum. Darum erließ der Premysl Ottokar II. im Jahre 1254 das erste Judenprivileg. Diese Verordnung kodifizierte die Rechte und Pflichten der Juden. Damit verpflichtete sich auch die Krone zu umfassenden Schutz vor Übergriffen, degradierte aber gleichzeitig die Juden zu Kammerknechten. Sie unterlagen fortan dem Sachenrecht und wurden damit de facto zum Eigentum des Reiches. Das Privileg, das sich die Krone von den Juden "fürstlich" entlohnen ließ, wurde, bei unsicherer Quellenlage, wahrscheinlich von allen Herrschern der böhmischen Krone bestätigt.

Verdächtigungen und Übergriffe

Doch was war dieser teuer erkaufte Schutz im Ernstfall wert? Eine eindeutige Antwort darauf lässt sich nicht geben. Das hing immer auch von der Stärke und Durchsetzungsfähigkeit des einzelnen Herrschers ab. Es gab ruhige Zeiten im Ghetto, wie beispielsweise die Zeit unter der Herrschaft Rudolfs II, der den Juden alles in allem wohlgesonnen war; aber es gab auch Jahre, in denen sich der Herrscher dem Protest von Ratsherren, Jesuiten oder einflussreichen Adligen anschloss und beispielsweise die Ausweisung aller Juden aus Böhmen befahl.  Ob nun die Ausweisung von 1541 durch Ferdinand I. oder beinahe zweihundert Jahre später im Jahre 1744 durch Maria Theresia: All diese Versuche sich der Juden zu entledigen, wurden wieder aufgegeben, da man schon längst nicht mehr auf diese wichtige Einnahmequelle für das Reich und die Stadt verzichten konnte.

Aber auch gegen Pogrome bot das Judenprivileg im Ernstfall wenig Schutz. So gab es im Verlauf der Jahrhunderte immer wieder Verdächtigungen und Übergriffe gegenüber den Juden, die bis zu vielfachem Mord und Totschlag führen konnten. Im kollektiven Gedächtnis der Juden bis auf den heutigen Tag verhaftet, ist das Pogrom von 1389 geblieben. In Abwesenheit von König Wenzel wurden die Tore der Prager Judenstadt gestürmt und in einem grausamen Gemetzel wahrscheinlich über 3000 Menschen im Ghetto ermordet. Als Grund diente dem Mob die Nachricht von einem Priester, der auf dem Wege zu einem Kranken war und unterwegs angeblich von Juden beschimpft und mit Steinen beworfen wurde. Der Rabbiner Avigdor Kara, der das Pogrom als Kind miterlebt hat und dabei seinen Vater verlor, hat in seiner Elegie "Selicha" das geschichtliche Ereignis festgehalten. Es wird noch heute am Jom Kippur, dem Versöhnungstag, in der Prager Altneusynagoge beim Gottesdienst gelesen.

 

Berufe im Prager Ghetto

Während jüdische Kaufleute vor dem 13. Jahrhundert in einer den Christen vergleichbaren rechtlichen Stellung lebten, war den Juden später nur noch der Geldhandel erlaubt, der den Christen als Wucher von der katholischen Kirche verboten wurde. Doch spätestens gegen Ende des 15. Jahrhunderts lebte auch der jüdische Handel mit Waren wieder auf. Dabei überschritt der Verkauf von italienischen Stoffen, Pelzwerk und Gewürzen schnell die Grenzen des Ghettos, da diese kostbaren Waren natürlich auch unter den Christen dankbare Abnehmer fand. Der bekannteste Markt war dabei der "Tarmarkt", der später auch "Tandlmarkt" hieß und in der Galli-Gasse an der Nordseite der St.-Gallus-Kirche lag. Neben dem Gewerbe entwickelte sich im 16. Jahrhundert auch das Handwerk. Erst sporadisch und teilweise auch im Verborgenen arbeiteten jüdische Handwerker im Ghetto als Glaser und Perlsticker. 1577 gab es dann die erste offizielle Erlaubnis durch Rudolf II., der in einem Majestätsbrief dem Juden Joseph de Cerui die Ausübung des Goldschmiedehandwerks gewährte. Es dauerte aber noch bis zu Ferdinand II., bis Juden zumindest für jüdische Kunden jedes Handwerk ausüben durften. Neben den bereits erwähnten Glasern und Goldschmieden arbeiteten jüdische Handwerker vorwiegend auch als Schuster, Schneider, Kürschner, Gerber, Sattler, Färber, Klempner, Zinngiesser, Seiler und Perückenmacher. Interessant in diesem Zusammenhang ist sicherlich, dass es beispielweise im Bauwesen keine oder nur sehr wenige jüdische Handwerker gab. So erfährt man auch aus den Verlautbarungen der Steinmetzzunft von 1741, dass die Grabsteine für den Alten jüdischen Friedhof nur von christlichen Steinmetzen angefertigt wurden. Hochgeachtet und begehrt nicht nur bei Juden waren jüdische Ärzte und jüdische Musikanten. Dem jüdischen Arzt Angelus erlaubte König Wladislaw sogar den Ankauf eines Hauses in der damaligen Strahower Gasse (Nerudova), das außerhalb des Ghettos lag, um seinen Leibarzt immer nahe der Burg zu wissen.