Das Geburtshaus Franz Kafkas

Geburtshaus oder Geburtsort?

Das Prager Tagblatt kündigte für den 3. Juli 1883 einen warmen Sommertag an und die Wassertemperatur der Moldau betrug badetaugliche 20 Grad. Doch das beschäftigte Julie Kafka und ihre Hebamme Sofie Popper mit Sicherheit nicht, als sie an diesem Tag Julies ersten Sohn Franz zur Welt brachten. Die Geburt fand, wie im 19. Jahrhundert noch üblich, zuhause statt und verlief wohl ohne Komplikationen, denn eine Woche später wurde der Junge in der elterlichen Wohnung von Dr. Moritz Weisl nach jüdischem Ritus beschnitten. Pate war der Likörfabrikant und Weinhändler Angelus Kafka (1837-1908), ein Cousin des Vaters.

Die Eltern Kafkas zogen in das Eckhaus kurz nach ihrer Hochzeit ein, die man am 3. September 1882 im nahe gelegenen Hotel Goldammer feierte. Die junge Familie lebte hier bis zum Mai 1885. Der wachsende geschäftliche Erfolg von Vater Hermann (er betrieb ein neu gegründetes Galanteriewarengeschäft) ermöglichte bald den Umzug in Wohnungen, die größer waren und mehr Komfort boten.

Ursprünglich diente das Mietshaus, um 1730 von dem bekannten Baumeister Ignaz Dietzenhofer erbaut, als Prälatur für die benachbarte St.-Niklas-Kirche. Im Jahre 1897 brannte das mehrstöckige Haus ab. Für den Wiederaufbau übernahm man einzig das intakt gebliebene Portal mit der darüber liegenden Balkonbrüstung vom alten Gebäude. Darum sollte man auch eher von einem Geburtsort als von einem klassischen Geburtshaus sprechen, da der heutige touristische Anziehungspunkt kaum mehr dem Mietshaus von 1883 entspricht, wie man an historischen Bildern ersehen kann.

In den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts lag der Wohnort der Familie im Grenzbereich von Altstadt und des zur damaligen Zeit noch existierenden Ghettos. Der Abriss des alten Judenviertels begann gegen Ende des 19. Jahrhunderts, in Kafkas Kindheits- und Jugendjahren.

Im Erdgeschoss des Hauses existierte lange eine ständige Ausstellung zu Leben und Werk des Autors, die für den Kenner wenig ergiebig war und als einzige Attraktion ein paar Erstausgaben Kafkas zu bieten hatte. Heute gibt es an dieser Stelle ein an sonnigen Tagen gut besuchtes Café. Der Platz davor wurde im Mai des Jahres 2000 in „Franz-Kafka-Platz“ (Namesty Franze Kafky) umbenannt.

Die Gedenktafel

Die konkav gewölbte Gedenktafel mit dem plastisch herausgehobenen Portrait Kafkas ist an der Gebäudeaußenseite angebracht. Sie ist das Werk des tschechischen Bildhauers Karel Hladik (1912-1967) und stammt aus dem Jahre 1965. Das Portrait zeigt das Seitenprofil des Autors, das von keiner Photographie her bekannt ist. Hladik orientierte sich dafür an der Physiognomie eines Enkels von Kafkas Schwester Ottla, der nach übereinstimmender Erinnerung von Zeitzeugen vergleichbare Gesichtszüge aufwies.