
Das Stadtviertel Hradschin (Hradčany)
Zur Geschichte des Stadtviertels
Prager Burg oder Hradschin?
Die beiden Begriffe Hradschin und Prager Burg sorgen immer wieder für Verwirrung: Wenn ein Prager sagt, er gehe auf den Hradschin, kann er sowohl die Burg im eigentlichen Sinne, als auch das historische Stadtviertel auf dem Burgberg meinen, in dessen Zentrum die Prager Burg steht, wie Johanna von Herzogenberg, die große Kennerin der böhmischen Kunstgeschichte in ihrem Prager Reiseführer anmerkte. Auch wenn natürlich die Prager Burg schon immer der große kulturelle und politische Fixpunkt des Hradschins war, hat das historische Stadtviertel Hradschin (Hradčany) noch weitaus mehr zu bieten.
Anfänge
Als der Přemyslidenfürst Bořivoj im 9. Jahrhundert seinen Herrschaftssitz auf den Hradschiner Berg verlegte, bestand die gesamte Umgebung aus Wäldern. Noch Jahrhunderte nach der Etablierung der Prager Burg als Herrschaftssitz wurde die Umgebung der Burg zum Jagen genutzt. Allmählich siedelten sich die Bediensteten der Burg in seiner Umgebung an, die dann im 14. Jahrhundert durch den Burggrafen zur Stadt ernannt wurde. Es erfolgte eine rasche und wohl eher ungeordnete Ausdehnung bis zum heutigen Kloster Strahow, doch erst der verheerende Brand von 1541 sorgte in der Folgezeit für einen Wiederaufbau des Geländes, dem die Burgvorstadt sein heutiges Aussehen verdankt. Viele reich ausgestattete Bürgerhauser, vor allem aber die prachtvollen Adelspaläste, die heute noch zu besichtigen sind, wurden in der Folgezeit aufgebaut. Um 1600 wurde der Hradschin zur königlichen Stadt ernannt, der dann im 18. Jahrhundert die Eingemeindung in die Stadt Prag erfolgte.
Barocke Blütezeit unter den Habsburgern
Nach dem verheerenden Brand von 1541 wurde der Hradschin nicht nur wiederaufgebaut, sondern im Laufe des 17. Jahrhunderts zum bevorzugten Wohnsitz des katholischen Adels ausgebaut. Besonders nach der Schlacht am Weißen Berg (1620) und im Zuge der Gegenreformation entstanden zahlreiche prachtvolle Palais und Residenzen, mit denen sich die führenden Adelsfamilien in unmittelbarer Nähe zur königlichen Burg ansiedelten. Der Hradschin wurde damit zum repräsentativen Machtzentrum der böhmischen Oberschicht unter habsburgischer Herrschaft.
Der Hradschin heute
Heute ist der Hradschin kein klassisches Wohnviertel mehr, sondern ein weitgehend museales Areal mit nur wenigen ständigen Einwohnern. Die barocken Paläste beherbergen Botschaften, kirchliche Einrichtungen und staatliche Behörden, und auch viele Häuser stehen leer oder dienen nur noch repräsentativen Zwecken. Zwischen Touristengruppen und Zeremonien herrscht oft eine fast feierliche Stille – der Hradschin wirkt wie ein historisches Bühnenbild, das sich seit Jahrhunderten kaum verändert hat.
Besuchertipp
Für die Besichtigung der Prager Burg sollte man den Morgen oder frühen Vormittagsstunden nutzen, da bereits am Vormittag das Areal, egal zu welcher Jahreszeit, einen manchmal schon bedenklichen Touristen-Ansturm zu bewältigen hat. Und da seit einiger Zeit die Sicherheitsvorkehrungen stark erhöht wurden und man sich darum beim Eingang einer Leibesvisitation unterziehen muss, sollte man vom späten Vormittag an mit längeren Besucherschlangen und entsprechenden Wartezeiten rechnen. Andere Sehenswürdigkeiten des Hradschins, wie das Loretoheiligtum oder das Strahower Kloster sind dagegen bei weitem nicht so überlaufen und sollten auf jeden Fall ein Programmpunkt sein.
🧭Tipps für den Hradschin
Kuchyň
Hradčanské nám. 1, 118 00 Praha 1
Selbstbedienungsrestaurant mit Blick auf die Prager Burg und traditionelle tschechische Küche. Das Essen wird offen präsentiert und nach Gewicht abgerechnet – ideal für eine unkomplizierte, aber stimmungsvolle Pause.
U Zlaté Hrušky
Nový Svět 3, 118 00 Praha 1
Elegantes kleines Restaurant mit gehobener tschechischer Küche in einer ruhigen Seitengasse des Hradschin. Besonders empfehlenswert für ein Mittagessen abseits der Touristendichte.
Lobkowiczký Palác Café
Jiřská 3, 119 00 Praha 1
Café mit Terrasse im gleichnamigen Palast innerhalb der Prager Burg. Perfekt für eine Kaffeepause mit Blick über Moldau und Altstadt – allerdings nur mit Museumsticket zugänglich.
U Černého vola
Loretánské nám. 1, 118 00 Praha 1
Einfache, authentische Kneipe mit langer Geschichte direkt bei der Loreto-Kirche. Hier gibt’s Pilsner, Brotzeit und ein Stück echtes altes Prag.
Museum für Miniaturen (Muzeum miniatur)
Strahovské nádvoří 11, 118 00 Praha 1
Kurioses Spezialmuseum mit winzigen Kunstwerken, die nur unter der Lupe oder dem Mikroskop zu erkennen sind. Von der Reiterstatue auf einem Mohnsamen bis zu Schriften auf einem Haar – ein Ort zum Staunen und Schmunzeln.
Kapelle der Heiligen Ursula (Kaple sv. Voršily)
U Kasáren 2, 118 00 Praha 1
Versteckte Barockkapelle im Gebäude der Kunstakademie, die heute für kleinere Ausstellungen genutzt wird. Die Verbindung aus sakraler Architektur und zeitgenössischer Kunst ist überraschend und stimmungsvoll zugleich.
Galerie AMU – Galerie der Prager Kunstakademie
U Černé věže 3, 118 00 Praha 1
Wechselnde Ausstellungen von Student:innen und Absolvent:innen der Kunstakademie. Wer moderne Perspektiven auf die Stadt sucht, findet hier einen Gegenpol zur historischen Umgebung des Hradschin.
Galerie AMU (Akademie der Bildenden Künste)
U Černé věže 3, 118 00 Praha 1
Studentengalerie mit wechselnden Ausstellungen zeitgenössischer Kunst. Ideal für Besucher, die moderne Perspektiven abseits der klassischen Museen suchen.
Loreta Souvenir
Loretánské nám. 5, 118 00 Praha 1
Kleines Geschäft mit religiösem Kunsthandwerk, Weihrauch, Ikonen und Glaskunst. Viel persönlicher als die üblichen Souvenirshops rund um die Burg.