Oskar Baum
Die ersten Jahre
Oskar Baum wurde als 6. Kind des jüdischen Tuchwarenhändlers Jakob Baum und seiner Frau Berta am 21.01.1883 in Pilsen geboren. Im Jahr 1899 siedelte die Familie dann nach Prag um. Zuhause wurde ein traditionelles und bewusstes Judentum vorgelebt, das ihn für sein Leben prägen sollte.
Von klein auf litt der Junge unter der Sehschwäche eines Auges, die später zum kompletten Verlust des Augenlichts führte. Mit 11 Jahren geriet er in einen Streit mit tschechischen Buben, die ihm ein Buch entwenden wollten und verlor dabei sein zweites Auge. Der vollends erblindete Junge wurde darauf hin in die jüdische Blindenanstalt „Hohe Warte“ in Wien geschickt, einer strengen und konservativ ausgerichteten Lehranstalt, wo er 1902 erfolgreich die Lehramtsprüfung für Orgelspiel und Klavier absolvierte. Darauf zog es Oskar Baum wieder nach Prag zurück. Hier arbeitete er zunächst als Organist in einer Synagoge, aber auch als Lehrer für Klavier und Orgel. Im Jahre 1907 heiratete Baum die neun Jahre ältere Margarete Schnabel.
Der Schriftsteller und Musikkritiker
Von 1908 an erschienen von Baum Erzählungen und Romane. Ermutigt hierzu hatte ihn Max Brod, der ihm für sein erstes Buch „Uferdasein. Abenteuer und Tägliches aus dem Blindenleben von heute“ auch das Geleitwort schrieb. Neben dem Erstlingswerk gelten das 1908 publizierte „Blindenleben von heute“, der 1909 veröffentlichte Roman „Das Leben im Dunkeln“ sowie das 1919 erschienene „Die Tür ins Unmögliche“ zu seinen bekanntesten Werken. Die meisten Schriften sind autobiographisch angelegt und schildern seine Erfahrungen mit der Blindheit. So thematisiert er im „Das Leben im Dunkeln“ seine Zeit im Blindeninstitut „Hohe Warte“. Ein weiteres prägendes Element seiner Werke war die prekäre Stellung einer jüdischen Identität innerhalb einer christlichen Umwelt. Doch auch wenn sich der späte Roman von 1937 „Das Volk des harten Schlafs“ als eine Hinwendung zum Zionismus lesen lässt, war ein Entwicklungsprozess von einem säkularen Judentum zu dieser populären jüdischen Nationalbewegung hin für Baum nie ein Thema. Dazu war er sich seiner eigenen jüdischen Identität zeit seines Lebens zu sicher. Ebenso wie seine Liebe zur deutschen Kultur immer eindeutig und nie Zweifeln ausgesetzt war.
Ab 1922 arbeitete Baum als ständiger Musikkritiker in der „Prager Presse“, einem liberalen Presseorgan deutscher Sprache, das den demokratischen Ansichten Masaryks nahe stand. Bald entwickelte er sich zu einem geachteten Journalisten und Kritiker. Auffällig dabei waren seine detailreichen Beschreibungen des Bühnenbilds und der Lichtsetzung. Wer mit Baum ins Theater oder Konzert ging, war mit ausführlichen Schilderungen beschäftigt, die er dem blinden Autor akkurat mitzuteilen hatte und dieser dann in seinen Artikeln verarbeitete. In späteren Jahren schrieb Baum einige Filmskripte, die aber nicht verfilmt wurden.
Von 1934 bis 1938 war Oskar Baum Vorsitzender des „Schutzverbandes deutscher Schrftsteller“ in der Tschechoslowakei. Erst mit der deutschen Okkupation musste er dieses Amt aufgeben. Daneben verlor er seine Anstellung bei der Zeitung. Bürokratische Hindernisse verhinderten die rechtzeitige Emigration nach Palästina. Baum starb am 1. März 1941 in einem Krankenhaus in Prag an den Folgen einer Darmoperation. Damit entging er einer Deportation in das Konzentrationslager Theresienstadt, in das seine Frau gebracht wurde und wo sie 1943 umgebracht wurde.
Die Freundschaft zu Kafka und der "Prager Kreis"
1904 lernt Oskar Baum den umtriebigen Max Brod kennen. Beide verband eine große Leidenschaft zur Musik. Bald darauf machte ihn Brod mit seinen Freunden Franz Kafka und Felix Weltsch bekannt. Vor allem die erste Begegnung mit dem fast gleichaltrigen Franz Kafka blieb Oskar Baum in lebhafter Erinnerung:
Den tiefsten Eindruck hatte mir die erste Bewegung, mit der Kafka in mein Zimmer getreten war, hinterlassen. Er machte mir während der vorstellenden Worte Brods eine stumme Verbeugung. Das war, so sollte man glauben, eine sinnlose Förmlichkeit mir gegenüber, der ich sie ja nicht sehen konnte. Sein glattgestrichener Haarscheitel berührte indes, wohl infolge meiner etwas zu heftigen, gleichzeitigen Verbeugung flüchtig meine Stirn. Ich fühlte eine Ergriffenheit, deren Grund mir im Augenblick nicht in vollem Umfang klar war. Hier hatte einer als Erster unter allen Menschen, die mir begegnet waren, meinen Mangel als etwas, das nur mich allein anging, nicht durch Anpassung oder Rücksicht, nicht durch die geringste Veränderung seines Verhaltens, festgestellt.
Oskar Baum: "Erinnerungen an Franz Kafka"
Oskar Baums Wohnung wurde, da er früh geheiratet hatte und mit seiner Frau zusammen in einer eigenen Wohnung wohnte, zum regelmäßigen Treffpunkt der Freunde. Man las sich gegenseitig zumeist eigene Texte vor und diskutierte darüber. Max Brod prägte später für diese Zusammenkünfte den etwas hochtrabenden Begriff vom „Prager Kreis“, wobei es zu dieser Zeit natürlich auch in Prag weitere literarische „Kreise“ von angehenden und etablierten Schriftstellern gab, die in teilweiser enger Verbindung mit den vier Autoren standen.