Die Arbeiter-Unfall-Versicherungsanstalt
Kafka - Ein Fachmann für Unfallversicherung
Die Versicherungsanstalt war in einem modernen Gebäude untergebracht, das im Jahre 1896 fertiggestellt wurde. Die Arbeiter-Unfallversicherung wurde 1889 in Österreich eingeführt und war regional gegliedert. Der Ableger in Prag war für das gesamte Böhmen zuständig und mit ca. 250 Mitarbeitern die größte der k. und k. Doppelmonarchie. Von Prag aus wurden 200.000 Unternehmer und drei Millionen Arbeiter betreut. In der gesamten Prager Arbeiter-Unfall-Versicherungsanstalt arbeiteten zu der Zeit insgesamt nur drei Juden und die Führungspositionen waren nahezu ausschließlich mit deutschsprachigem Personal besetzt.
Eine Beschäftigung in der Versicherungsanstalt war für Kafka nur über Protektion möglich. Durch seinen ehemaligen Mitschüler Ewald Pribram lernte er dessen Vater, Dr. Otto Pribram, kennen, der Präsident der halbstaatlichen Anstalt war. Dank dessen Vermittlung konnte Kafka am 30.07.1908 als Aushilfsbeamter in die Versicherungsanstalt eintreten. Kafka musste von 8 bis 14 Uhr arbeiten und seine Bezahlung war vergleichsweise gut, was beides eine immense Verbesserung zur vorigen Stelle in der Assicurationi Generali bedeutete.
Kafkas Arbeit bestand zu Anfang vor allem darin Betriebe in unterschiedliche Gefahrenklassen einzureihen. Das machte Kontrollbesuche notwendig und führte oft auch zu langwierigen Verhandlungen mit Unternehmen, die mit allen Mitteln versuchten sich gegen Forderungen der Versicherungsanstalt zu wehren. Bald fiel auch seine ausgezeichnete Schreibweise auf und so war er für allerlei Korrespondenzen zuständig. Dazu zählte neben der Erstellung von Fachpublikationen auch Rezensionen, Vorträge oder Schriftsätze im Zusammenhang mit Gerichtsverfahren. Kafka erhielt hervorragende Bewertungen und war bei Kollegen und Vorgesetzten sehr beliebt. So wurden seine guten Leistungen dann auch im Jahre 1910 mit der Beförderung zum Concipisten und 1913 mit dem Aufstieg zum Vizesekretär belohnt, was nach heutigen Maßstäben der Position eines Abteilungsleiters entspricht.
Der erste Weltkrieg und seine Folgen
Mit Ausbruch des ersten Weltkriegs erweiterten sich die Aufgaben der Unfallversicherungsanstalt. Fortan war die Anstalt auch für die Kriegsbeschädigtenfürsorge verantwortlich und musste in diesem Rahmen die Entschädigung für die von der Front zurückkehrenden Kriegsversehrten regeln. Das bedeutete mehr Arbeit bei verringertem Personal, denn natürlich wurden auch in der Versicherung viele Mitarbeiter zum Miltär berufen. Kafka war aber so unentbehrlich geworden, dass seine Vorgesetzten ihn immer als unabkömmlich vor der Berufungskommission deklarierten und ihn damit vom Militärdienst befreien konnten (was übrigens in späteren Jahren für Proteste Kafkas sorgte, der die eigene Einberufung als selbstverpflichtend empfand).
Nach Ende des 1. Weltkriegs und mit der Entstehung der Tschechoslowakischen Republik im Jahr 1918 kam es in der Unfallversicherungsanstalt zum großen Stühlerücken. So wurden, neben vielen anderen, seine deutschsprachigen Vorgesetzten Eugen Pfohl und Robert Marschner entlassen, Kafka dagegen durfte bleiben. Das war wohl der Tatsache geschuldet, dass man ihm keinerlei deutsch-nationales Verhalten nachsagen konnte. So avancierte er im Jahre 1920 - nun unter einer tschechischen Leitung - zum Sekretär und wurde kurz vor seiner Frühpensionierung auch noch zum Obersekretär ernannt.
Nach Ausbruch seiner Lungentuberkulose im Jahre 1917 war ihm eine kontinuierliche Arbeit in der Versicherungsanstalt nicht mehr möglich. Immer wieder wurde Kafka krank geschrieben und fehlte dabei Wochen, manchmal auch Monate lang. Dennoch wollte man diese hervorragende Kraft immer noch halten bis letztendlich sein Gesundheitszustand sich im Jahre 1922 so weit verschlechterte, dass an eine weitere Beschäftigung nicht mehr zu denken war. So wurde Franz Kafka am 1. Juli 1922 pensioniert, wenn auch nur vorläufig. Er kehrte aber nicht mehr an seine Arbeitsstelle zurück.
Adresse:
Na Poříčí 1075/7, 110 00 Praha, 1-Nové Město
Wegbeschreibung:
Vom Altstädter Ring kommend, folgt man der Celetná bis zum Pulverturm, hält sich danach links und geht am Repräsentationshaus vorbei quer über den Platz "nam. Republiky" auf das Eckgebäude der UniCredit-Bank zu. Links daneben geht die Na Poříčí los.