Kafkas Kochbuch
Eine kulinarische Entdeckungsreise in die Kultur um die Jahrhundertwende.

Wer bei dem Titel „Kafkas Kochbuch“ an düstere, schwer verdauliche Gerichte und Anleitungen denkt, die in einem bürokratischen Labyrinth enden, liegt zum Glück falsch. Das von der Ärztin Eva Gritzmann und dem bekannten Literaturkritiker Denis Scheck herausgegebene Werk ist keine Sammlung von Rezepten, die Franz Kafka selbst verfasst hat. Es ist vielmehr eine literarisch-kulinarische Spurensuche, die auch einen überraschenden und intimen Einblick in die Lebens- und Gedankenwelt des Prager Autors gewährt.
Die Entdeckung eines vergessenen Schatzes
Den Kern des Buches bildet die Wiederentdeckung eines historischen Kochbuchs: des „Hygienischen Kochbuchs zum Gebrauch für ehemalige Kurgäste“ aus dem Sanatorium von Dr. Lahmann in Dresden. Kafka, der zeitlebens mit Verdauungsproblemen zu kämpfen hatte, war ein überzeugter Anhänger der damaligen Lebensreform-Bewegung und des Vegetarismus. In diesem Sanatorium und dessen Ernährungslehre fand er einen Ansatz, der ihm Linderung versprach.
Mehr als nur ein Kochbuch
In einem ebenso ausführlichen wie aufschlussreichen Vorwort stellen Gritzmann und Scheck den biografischen Kontext her. Hier zeichnen sie Kafkas Weg zum Vegetarismus nach, verbinden seine Ernährungsgewohnheiten mit seinen literarischen Motiven – man denke nur an den „Hungerkünstler“ – und liefern so einen neuen, intimen Schlüssel zu seinem Werk und seiner Persönlichkeit. Diese fundierte Einleitung bildet die biografische Klammer zu dem eigentlichen Werk, dem antiquarischen Kochbuch.
Die Rezepte: Eine reine Zeitreise für den Gaumen
Die rund 540 Rezepte bilden den umfangreichen Hauptteil des Buches. Neben vielen begleitenden Kafka-Texten finden wir hier Anmerkungen der beiden Autoren, in denen sie viele interessante kulinarische Aspekte beisteuern. So ergänzen die Autoren auf unterhaltsame Art die alten Rezepte um Wissenswertes und ermöglichen dadurch ein tieferes Verständnis für die vegetarische Reformküche des frühen 20. Jahrhunderts. Gerichte wie „Spargel-Pudding“, „Gebackene Pastinak“ oder „Ägyptischer Kloß“ klingen heute ungewöhnlich, machen aber Lust aufs Experimentieren. Es ist kein Kochbuch für den schnellen Feierabend, sondern eine Einladung zur Entschleunigung und zur Beschäftigung mit einer fast vergessenen Küchentradition.
Für wen ist dieses Buch?
„Kafkas Kochbuch“ ist ein bibliophiles Juwel und ein ideales Geschenk für alle, die mehr als nur ein gewöhnliches Kochbuch suchen. Es richtet sich an Kafka-Liebhaber, die einen neuen Zugang zu ihrem Lieblingsautor finden möchten, an literarisch interessierte Hobbyköche sowie an alle, die sich für Kultur- und Ernährungsgeschichte begeistern.
Fazit
Gritzmann und Scheck ist ein außergewöhnliches Werk gelungen, das auf intelligente und unterhaltsame Weise Literatur und Lebensart verbindet. Es ist eine hochwertig gestaltete Einladung, Franz Kafka von einer ungewöhnlichen Seite kennenzulernen. Ein Buch, das man nicht nur liest, sondern das zum Nachdenken, Schmunzeln und Kochen anregt – ein intellektueller und sinnlicher Genuss zugleich.
Bibliographische Angaben & Bestellmöglichkeit
Herausgegeben von:Eva Gritzmann und Denis Scheck
1. Auflage 2025, Erscheinungstermin: 16.08.2025, 448 Seiten, beduckter Leinenband, komplett farbig, mit zahlreichen Illustrationen und Abbildungen, Lesebändchen
ISBN: 978-3-608-96665-7
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