Rabbi Löw

Rabbi Löw ist zum Sinnbild für das mystische Prag geworden, gilt er doch der Legende nach als der Erschaffer des Golems, dieser zum Leben erweckten Lehmfigur, die noch heute manch sensible Natur zu erblicken glaubt, wenn sie nächtens durch die verwinkelten Gassen der historischen Altstadt flaniert. Auch um seine geheimnisvolle nächtliche Zusammenkunft mit König Rudolf II. ranken sich viele Geschichten und Legenden. In Wirklichkeit hatte Rabbi Löw nichts von einem sagenumwobener Zauberkünstler an sich und war bei seinen jüdischen Mitbürgern vor allem als Denker, Gelehrter und Pädagoge geschätzt und geachtet, wenngleich er auch aufgrund seiner kompromisslosen Art nicht unumstritten war.

Der Lebensweg Rabbi Löws

Rabbi Löw wurde im Jahre 1520 in Worms geboren. Da er nie über seine Jugendzeit und Lehrer sprach, liegen seine frühen Jahre im Dunkeln. Belegt sind erst die Jahre 1553-1573, in denen er Rabbi im mährischen Nikolsburg (Mikulov) und später auch Oberrabbiner war. Dort erwarb er sich den Ruf eines umsichtigen Organisators in Verwaltungsfragen und eines Rechtsexperten. In Prag lebte er erst für längere Zeit als er schon über 60 Jahre alt war. Er leitete als Privatmann die Talmudschule "Klaus", die sein Freund Mordechai Maisl erbauen ließ und auch finanzierte. Obwohl er bereits seit langer Zeit einen herausragenden Ruf als Schriftgelehrter besaß, wurde er bei der Wahl um die Nachfolge des Oberrabbiners zwei Mal übergangen. Vielleicht auch aus Enttäuschung verliess er 1589 Prag, um wieder nach Polen zu gehen und kehrte erst wieder 1597 nach Prag zurück, wo er endlich – schon als fast Achtzigjähriger - zum Oberrabbiner gewählt wurde. Dieses Amt versah er bis zu seinem Tod am 17. August 1609. Unter großer Anteilnahme der Gemeinde wurde er auf dem alten Friedhof beigesetzt. Sein Grab ist bis heute ein vielbesuchter Anziehungspunkt auf dem Alten Jüdischen Friedhof.

Der Denker und Reformer

Peter Demetz beschreibt Rabbi Löws Denken als ein "Drama der Auseinandersetzung zwischen neuen Renaissanceideen und jüdischer Tradition". Rabbi Löw war ein konservativer Kritiker des Zeitgeschehens. Beispielsweise verurteilte er die gängige Praxis von Rabbinern für die Erfüllung ritueller Pflichten Geschenke entgegen zu nehmen. Mit seiner Forderung nach der Rückkehr zur Thora und der Haggada wandte er sich gegen die in seiner Zeit vorherrschende Technik der "Pilpul", die eine Gelehrsamkeit förderte, die sich eher in Kommentaren und Deutungen erging und damit in seinen Augen die Ursprünglichkeit und Nähe zu den talmudischen Schriften verlor. Dabei richtete er sein Augenmerk vor allem auf die Vermittlung des Lehrstoffes. Hier finden sich wiederum sehr moderne Auffassungen zur Didaktik wieder, die ihn zu einem Ahnherr des großen tschechischen Pädagogen Comenius machen. Entgegen der tradierten Form der Scholastik sollte das Lernen auf die individuellen Fähigkeiten des Einzelnen abgestellt werden. Rabbi Löw ging es hierbei nicht um stures Pauken und Auswendiglernen, sondern um wirkliches Begreifen. Dieser Prozess der Aneignung sollte einen stufenförmigen Anstieg von den einfachen bis zu wirklich komplexen Lerninhalten annehmen, aber immer in Rücksicht auf das Alter und die kognitiven Fähigkeiten des Schülers.

Ein weiterer wichtiger Aspekt in seinen Schriften ist die Frage nach der Integrität von Gemeinschaften. Neben der mehr allgemeinen und sehr humanen Forderung nach dem Recht von Völkern auf ungehinderter Existenz gibt es auch sehr spezifische Gedanken zum Zusammenleben von Juden und Christen. Rabbi Löw sah den Nichtjuden als ungeformten Stoff, der aus Materie, Wasser, Zufälligkeit und Geschichte besteht. Dem gegenüber steht der Jude, der Form ist und innerhalb des Feuers, der Notwendigkeit und der Ewigkeit existiert. Daraus leitet Rabbi Löw ab, dass auch der konvertierte Jude nicht dem Judentum untreu werden kann, da er immer Form bleibt. Doch der Nichtjude dagegen kann zum Juden werden, da der Stoff immer seine Form sucht. Damit hat jedes Volk seine ihm eigenen Aufgaben zu bewältigen und seine Integrität zu wahren. Doch diese Trennung im Glauben, in der Sprache und im Verhalten, stehe einem engen Zusammenleben nicht im Wege, sondern ist für Rabbi Löw, ganz im Gegenteil, die Voraussetzung seiner Bewahrung.

Rabbi Löw und der Golem

Die mystische Golem-Sage um Rabbi Löw und der zu Leben erweckten Lehmfigur ist weltbekannt und untrennbar mit Prag verbunden. Doch wo kommt sie her und um was ging es dabei genau? Auf den folgenden Seiten finden Sie eine Antwort.

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Die Portraits im Überblick:

Grabmahl Mordechai Meisels auf dem Alten Jüdischen Friedhof

Mordechai Meisel

Mordechai Meisel (1528 - 1601) war ein wichtiger Finanzier König Rudolf II. und wirkte als Mäzen und Bauherr bei wichtigen öffentlichen Bauten im Ghetto.