Grafik wichtige Sehenswürdigkeit

Das Tanzende Haus in Prag

Zur Baugeschichte des Tanzenden Hauses

Die heutige Architektur-Ikone war von Anfang an ein prestigeträchtiges Bauprojekt und sorgte für kontroverse Diskussionen: Die Rede ist vom „Tanzenden Haus“, direkt am Moldauufer gelegen und 1994 von dem Stararchitekten Frank O. Gehry erbaut, der dabei mit dem lokal ansässigen kroatischen Architekten Vlado Milunić zusammenarbeitete. Eigentlich plante Milunić an dieser Stelle ein Kulturzentrum. Dafür konnte er den damaligen Staatspräsidenten Václav Havel begeistern. Doch fand man für die Umsetzung keinen finanzstarken Interessenten. So verkaufte der Besitzer den seit Jahrzehnten brachliegenden Baugrund (amerikanische Bomber hatten im Zweiten Weltkrieg das vormalige Haus versehentlich zerstört) an eine niederländische Versicherungsgesellschaft, die hier einen Bürokomplex entstehen ließ.

Bei Bekanntgabe der Baupläne gab es wütende Proteste in der Öffentlichkeit, die der Historiker Zdeněk Lukes so zusammenfasste:

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„Als klar war, dass Frank O. Gehry – der weltberühmte Architekt aus Kalifornien – ein tanzendes Haus bauen sollte, gab es einen gewaltigen Aufschrei. Ausländer dürfen so etwas bei uns nicht – so hieß es damals in manchen Zeitungen. Heute sieht man das anders. Für die moderne Prager Architektur war das „Tanzende Haus“ ein echter Durchbruch.“

So kritisch in Prag darüber diskutiert wurde, so unterschiedlich war die Rezeption in den deutschsprachigen Reiseführern. Während heute das Gebäude einhellig als große Sehenswürdigkeit empfohlen wird, taten sich die früheren Reisebegleiter mit einer Einschätzung ungleich schwerer. Viele Ausgaben, die Mitte der 90er-Jahre erschienen, erwähnen das Bauwerk nicht. Der bekannte Prag-Kenner Detlev Arens verstieg sich noch im Jahre 2005 zu der Aussage, dass es sich hierbei um die umstrittenste Architektur in Prag handelt, die zur historischen Bebauung der Stadt passt „wie die Faust aufs Auge“.

Doch die Kontroversen um den Gebäudekomplex gehören inzwischen der Vergangenheit an. Die Prager versöhnten sich bald mit dem ungewöhnlichen Bauwerk und versahen es mit dem liebevollen Namen „Ginger und Fred“. Und in der Tat: Die geschwungenen Linien des Glasturms, der aus 99 individuell gebogenen Paneelen besteht, scheinen sich an das steinerne Gegenüber anzulehnen, das durch mehrere schmale Betonsäulen auf dem Bürgersteig gestützt wird. Dieses Zusammenspiel der beiden Türme wirkt von außen betrachtet wie das Spiel- und Tanzbein des ehemals berühmten Tanzpaars Ginger Rogers und Fred Astaire. Das Gebäude strahlt dadurch eine ungeheure Dynamik aus. Das war auch die tragende Idee im Entwurf des im Jahre 2022 verstorbenen Milunić, der damit die Massen symbolisieren wollte, die im November 1989 aufstanden und sich für den gesellschaftlichen Umbruch in Bewegung setzten.

Die aufregende Architektur wurde sogar 1997 von der Zeitschrift „The Time“ in der Kategorie Design mit dem ersten Platz bedacht. Und noch etwas ist bemerkenswert: Es war das erste Gebäude weltweit, das komplett in einer Computeranimation entworfen wurde.

Heute befinden sich in dem achtstöckigen Gebäude im Erd- und Untergeschoss Konferenzräume. Im obersten Stockwerk, direkt unter dem Dach, gibt es eine Bar und darunter ein französisches Restaurant der gehobenen Preiskategorie, inklusive einer fantastischen Aussicht.

Dancing House - Tančící dům hotel

Während einige Etagen noch als normale Büroeinheiten genutzt werden, hat der ehemalige tschechische Fußball-Nationalspieler Vladimir Smicer 2016 ein luxuriöses Hotel mit 21 Zimmern im Tanzenden Haus eröffnet.

Das barrierearm eingerichtete und familienfreundliche 4-Sterne-Hotel bietet umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen. Geschäftsleute finden auch eine adäquate Ausstattung und haben zudem die Möglichkeit Konferenz- und Veranstaltungsräume anzumieten.

Weitere Informationen und Buchungsmöglichkeiten finden Sie hier »

Architektonische Details zum Tanzenden Haus

Das Tanzende Haus besteht aus zwei kontrastierenden Gebäudeteilen: einem eingezogenen, gläsernen Turm („Ginger“) und einem massiven, steinernen Turm („Fred“). Der Glasturm ruht auf einer gebogenen Stahlkonstruktion, die mit individuell gefertigten gebogenen Glasplatten verkleidet ist – das Glas ist dabei rein dekorativ und nicht tragend. Der gegenüberliegende Turm besteht aus gekrümmten Stahlbetonwänden und tragenden Pfeilern, die den Großteil der Gebäudelast aufnehmen. Aufgrund der asymmetrischen Bauweise wurden jede Etage und alle tragenden Elemente individuell berechnet. Das Fundament basiert auf Tiefgründungen mit Bohrpfählen, um die Belastung durch das unregelmäßige Volumen gleichmäßig zu verteilen. Die Dachkonstruktion trägt eine auffällige Skulptur aus Metallstreben und Gitterwerk – genannt „Medusa“ – die als nichttragendes Zierelement auf dem Betonkern befestigt ist. Insgesamt erfordert die scheinbare Bewegung des Gebäudes ein präzise berechnetes statisches System hinter der expressiven Form.

Der Architekt Frank Owen Gehry

Der 1929 in Toronto geborene Architekt und Designer, der seit 1947 in Kalifornien lebt, gehört zu den renommiertesten Architekten der Neuzeit. Er hat u. a. 1997 das berühmte Guggenheim-Museum in Bilbao fertiggestellt. Neben dem spektakulären Museumsbau in Spanien war er noch mehrere Male für Bauvorhaben in Europa tätig und erstellte z. B. das Vergnügungsviertel im Disneyland Paris oder Vitra Design Museum in Weil am Rhein.

Die ersten Bauten Gehrys bewegten sich noch im eher konventionellen Stil seiner Zeit. Zu Anfang verdiente er sein Geld mit dem Bau und Umbau von Einfamilienhäsern. Doch schon damals erprobte er dabei neue Arbeitstechniken. Ende der 60er-Jahre arbeitete er an einer Serie von Möbeln, die aus Karton gefertigt waren. Seine Erfahrungen übertrug er dann Ende der 70er-Jahre auf die Konzeption größerer Objekte. So experimentierte er etwa mit Wellblech oder Sperrholz und entwickelte allmählich seinen spektakulären Baustil, der sich in gebrochenen geometrischen Formen wie schrägen Linien oder abgewinkelten Ebenen ausdrückte. Gehry wurde damit zu einem Hauptvertreter einer neuen Stilrichtung in der Architektur, die man unter dem Begriff des Dekonstruktivismus zusammenfasst.

Hinweis: Im Nachbargebäude lebte Vaclav Havel

Von Lenke Szilágyi - CC BY-SA 3.0, Link

Václav Havel spielte eine zentrale Rolle bei der Entstehung des Tanzenden Hauses in Prag. Als Anwohner des benachbarten Gebäudes war er mit der seit dem Zweiten Weltkrieg brachliegenden Baulücke am Moldauufer bestens vertraut. Nach der politischen Wende 1989 setzte er sich dafür ein, diesen Ort mit einem architektonisch anspruchsvollen und symbolträchtigen Bau zu beleben. Havel war mit dem Architekten Vlado Milunić befreundet und unterstützte dessen Idee eines Hauses, das Bewegung, Wandel und Offenheit verkörpert. Er regte ursprünglich ein Kulturzentrum an, das als Ort des Dialogs dienen sollte. Havel ermöglichte auch die Einbindung von Frank O. Gehry, den er durch seine internationale Ausstrahlung für das Projekt gewann. Obwohl er weder Bauherr noch finanziell beteiligt war, prägte Havels Engagement die Entstehung und symbolische Bedeutung des Gebäudes entscheidend. Das Tanzende Haus gilt heute auch als architektonisches Denkmal des demokratischen Aufbruchs der 1990er-Jahre in Tschechien.

Die Adresse von Václav Havels ehemaligem Wohnhaus in der Nähe des Tanzenden Hauses lautet:
Rašínovo nábřeží 78, 120 00 Praha 2 – Nové Město

Zur Biografie von Vaclav Havel >

Adresse und Route per Google-Maps:

Jiráskovo nám. 1981/6, 120 00 Nové Město

Wegbeschreibung:
Von der Metro-Station Karlovo námestí (Linie B) kommend, geht man an der Moldau entlang ca. 200 Meter in Richtung Stadtzentrum. Das auffällige Gebäude kann man nicht übersehen.

Route zum Tanzenden Haus per Google-Maps »

Kartenansicht: